Donnerstag, 21. April 2016

Die Spezies Mütter



Ein Stück vom alten Leben
Hola, da bin ich wieder mit ein paar kleinen Geschichtchen aus meinem Alltag mit Zwillingen. Vielleicht kennt uns der eine oder die andere schon aus dem Buch „Hurra, wir verdoppeln uns!“ und möchte erfahren, wie es weitergeht?
Tja, man erlebt ja so einiges. Es gibt zwischen den erwähnenswerten Tagen ja auch viele, viele, ja, eigentlich unzählige langweilige Tage, die einfach gelebt werden, um sie dann wieder zu vergessen. Aber wer Kinder hat weiß ja, dass gerade die langweiligen Tage besonders zäh sein können…

Die Spezies "Mütter"
 
Man möchte es ja nicht glauben, bis man selbst dazugehört. Zu dieser Spezies, die aus so vielen verschiedenen Charakteren doch eine Gruppe bildet, die sich nicht wie bei Hip-Hoppern, Emos, Rauchern oder einem Bibelkreis durch eine besondere Vorliebe ergibt, sondern durch ein gemeinsames Schicksal. Diese Spezies, die alles andere als selten ist und von der man sich selbst möglichst weit distanziert und am besten auch räumlich fernhält, bis es keinen Weg zurück gibt. Bis man selbst Teil dieser Spezies ist, die sich Mütter nennt. Egal, welche Ideale man vorher hatte, plötzlich sitzt man an der Nähmaschine und näht T-Shirts. Kauft nur noch Dinkelmehl und Vollkornnudeln, obwohl man als Studentin doch noch ganz gut von Chips und Pommes gelebt hat. Backt Brot selbst, weil man für eine mehrköpfige Familie drei Laib Brot pro Woche braucht und das ins Geld geht. In der Wohnung riecht es immer nach irgendetwas, nur nicht gut. Man sagt plötzlich „Kindi“ und „Schlafi“, obwohl man vorher jede Abkürzung vermaledeit hat. Man regt sich über Hundebesitzer, Teenager und auf dem Gehweg parkende Autos auf, weil man mit dem Kinderwagen nicht an ihnen vorbeikommt. Erledigt seine Einkäufe am Freitagvormittag und nicht mehr am Samstagabend kurz vor Ladenschluss wenn das Gemüse schon auf einstellige Centpreise reduziert ist. Steht mit dem Autoschlüssel unter dem Arm und einer übergeworfenen Strickjacke Punkt halb eins am Kindergarten.
Und man vergisst, man selbst zu sein. Vergisst, wer man überhaupt mal war. Weil man voll damit ausgelastet ist, alles andere zu sein: Mama, Taxi, Seelentrösterin, Lehrerin, Köchin, Verhandlungspartnerin, Richterin, Streitschlichterin, Einkäuferin, Kurierdienst, Schneiderin und sooo vieles mehr. 


Falsche Vorstellungen ...
Ich wollte schon immer Kinder haben. Ich war eine klassische Puppenmama, fürsorglich und geduldig. Ich hatte ja keine BabyBorn, also waren meine Puppen auch recht anspruchslos und immer ruhig. Nun ja, und so stellte ich mir das alles vor, so sind auch Kinder. Wenn man sie lieb bittet und ihnen bei gemeinsamen Entscheidungen eine Stimme gewährt, wenn man ihnen alles erklärt und begründet und wenn man sie respektiert, dann klappt das schon alles. Dann sind alle entspannt und fröhlich und ich bekomme das zurück, was ich in meine Kinder hineinlege. In meiner Vorstellung
Ganz schnell war ich nicht, aber nach vier Jahren begreife ich: So läuft der Hase leider ganz und gar nicht. Kinder sind kleine Individuen, die schon mit ein paar Monaten ganz genau ausprobieren, wie, was, wo und warum. Und das setzt sich fort, sobald sie sprechen können in endlosen Diskussionen darüber, ob man bei minus drei Grad eine Dreiviertelleggins anziehen kann oder nicht. Ob man Salami auf ein Honigbrot legen kann oder nicht. Warum man auf offener Straße nicht einfach zu einem Passanten sagen darf: „Du siehst heute blöd aus.“ Alles wird diskutiert, analysiert und sich vor allem gemerkt. Das möchte man ja im Prinzip auch. Ich weiß ja, in der heutigen Arbeitswelt kann nur überleben, wer hinterfragt, sich eigene Gedanken macht und den Problemen auf den Grund geht.
Aber anstrengend kann es auch werden. 

Die Konkurrenz der jungen Prinzessinnen
 
Dies alles können vermutlich die meisten Mütter bestätigen, die zwei oder mehr Kinder haben. Was bei Zwillingen noch dazu kommen kann, ist das ständige Konkurrenzverhältnis, in dem sie stehen. Das Gefühl zu kurz zu kommen und an jeder Stelle übervorteilt zu werden. Das kann schon morgens damit beginnen, dass der Rock der Zwillingsschwester länger ist (wir warten noch zehn Jahre, bis sich vermutlich genau um das Gegenteil gestritten wird), denn der längere Rock geht ja weiter auf beim Drehen und sieht daher mehr wie bei Ballerinas aus. Weiter geht es im Fahrstuhl, wer den Knopf drücken darf. Meist gibt es ja zwei Gelegenheiten, einmal draußen, damit der Aufzug kommt und einmal in demselben für das jeweils angepeilte Stockwerk. Aber lassen Sie mal einen Passanten bereits im Lift stehen, der bereits gedrückt hat, bevor Sie mit den Zwillingen einsteigen. Da ist das Drama groß!

Ein Stück altes Leben 
 
Manchmal kann ich es kaum aushalten. Manchmal habe ich Lust, einfach so mit High Heels und ohne Autoschlüssel unter dem Arm vor dem Kindergarten zu stehen. Aber das gleicht dann schon einer Tagesdosis „früheres Leben“, schließlich geht es doch nach Hause zu den Vollkornnudeln.
Seit ein paar Wochen sind alle drei Kinder im Kindergarten. Und wenn ich von meiner Dorfrunde und dem Abgeben wieder zu Hause bin und nicht arbeiten muss, weil ich ja liebevolle Mama bin und „Zeit für den Haushalt und die Familie brauche“, dann werfe ich mich bäuchlings aufs Sofa, lege eine DVD ein und esse Erdbeeren mit einem halben Becher Schlagsahne und fühle mich einfach großartig. 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen