Ein Stück vom alten Leben
Hola,
da bin ich wieder mit ein paar kleinen Geschichtchen aus meinem Alltag mit
Zwillingen. Vielleicht kennt uns der eine oder die andere schon aus dem Buch
„Hurra, wir verdoppeln uns!“ und möchte erfahren, wie es weitergeht?
Tja,
man erlebt ja so einiges. Es gibt zwischen den erwähnenswerten Tagen ja auch
viele, viele, ja, eigentlich unzählige langweilige Tage, die einfach gelebt
werden, um sie dann wieder zu vergessen. Aber wer Kinder hat weiß ja, dass
gerade die langweiligen Tage besonders zäh sein können…
Die Spezies "Mütter"
Man
möchte es ja nicht glauben, bis man selbst dazugehört. Zu dieser Spezies, die
aus so vielen verschiedenen Charakteren doch eine Gruppe bildet, die sich nicht
wie bei Hip-Hoppern, Emos, Rauchern oder einem Bibelkreis durch eine besondere
Vorliebe ergibt, sondern durch ein gemeinsames Schicksal. Diese Spezies, die
alles andere als selten ist und von der man sich selbst möglichst weit
distanziert und am besten auch räumlich fernhält, bis es keinen Weg zurück
gibt. Bis man selbst Teil dieser Spezies ist, die sich Mütter nennt. Egal,
welche Ideale man vorher hatte, plötzlich sitzt man an der Nähmaschine und näht
T-Shirts. Kauft nur noch Dinkelmehl und Vollkornnudeln, obwohl man als
Studentin doch noch ganz gut von Chips und Pommes gelebt hat. Backt Brot
selbst, weil man für eine mehrköpfige Familie drei Laib Brot pro Woche braucht
und das ins Geld geht. In der Wohnung riecht es immer nach irgendetwas, nur
nicht gut. Man sagt plötzlich „Kindi“ und „Schlafi“, obwohl man vorher jede
Abkürzung vermaledeit hat. Man regt sich über Hundebesitzer, Teenager und auf
dem Gehweg parkende Autos auf, weil man mit dem Kinderwagen nicht an ihnen
vorbeikommt. Erledigt seine Einkäufe am Freitagvormittag und nicht mehr am
Samstagabend kurz vor Ladenschluss wenn das Gemüse schon auf einstellige
Centpreise reduziert ist. Steht mit dem Autoschlüssel unter dem Arm und einer
übergeworfenen Strickjacke Punkt halb eins am Kindergarten.
Und
man vergisst, man selbst zu sein. Vergisst, wer man überhaupt mal war. Weil man
voll damit ausgelastet ist, alles andere zu sein: Mama, Taxi, Seelentrösterin,
Lehrerin, Köchin, Verhandlungspartnerin, Richterin, Streitschlichterin,
Einkäuferin, Kurierdienst, Schneiderin und sooo vieles mehr.
Falsche Vorstellungen ...
Ich
wollte schon immer Kinder haben. Ich war eine klassische Puppenmama,
fürsorglich und geduldig. Ich hatte ja keine BabyBorn, also waren meine Puppen
auch recht anspruchslos und immer ruhig. Nun ja, und so stellte ich mir das
alles vor, so sind auch Kinder. Wenn man sie lieb bittet und ihnen bei
gemeinsamen Entscheidungen eine Stimme gewährt, wenn man ihnen alles erklärt
und begründet und wenn man sie respektiert, dann klappt das schon alles. Dann
sind alle entspannt und fröhlich und ich bekomme das zurück, was ich in meine Kinder
hineinlege. In meiner Vorstellung
Ganz
schnell war ich nicht, aber nach vier Jahren begreife ich: So läuft der Hase
leider ganz und gar nicht. Kinder sind kleine Individuen, die schon mit ein
paar Monaten ganz genau ausprobieren, wie, was, wo und warum. Und das setzt
sich fort, sobald sie sprechen können in endlosen Diskussionen darüber, ob man
bei minus drei Grad eine Dreiviertelleggins anziehen kann oder nicht. Ob man Salami
auf ein Honigbrot legen kann oder nicht. Warum man auf offener Straße nicht
einfach zu einem Passanten sagen darf: „Du siehst heute blöd aus.“ Alles wird
diskutiert, analysiert und sich vor allem gemerkt. Das möchte man ja im Prinzip
auch. Ich weiß ja, in der heutigen Arbeitswelt kann nur überleben, wer
hinterfragt, sich eigene Gedanken macht und den Problemen auf den Grund geht.
Aber
anstrengend kann es auch werden.
Die Konkurrenz der jungen Prinzessinnen
Dies
alles können vermutlich die meisten Mütter bestätigen, die zwei oder mehr
Kinder haben. Was bei Zwillingen noch dazu kommen kann, ist das ständige
Konkurrenzverhältnis, in dem sie stehen. Das Gefühl zu kurz zu kommen und an
jeder Stelle übervorteilt zu werden. Das kann schon morgens damit beginnen,
dass der Rock der Zwillingsschwester länger ist (wir warten noch zehn Jahre,
bis sich vermutlich genau um das Gegenteil gestritten wird), denn der längere
Rock geht ja weiter auf beim Drehen und sieht daher mehr wie bei Ballerinas
aus. Weiter geht es im Fahrstuhl, wer den Knopf drücken darf. Meist gibt es ja
zwei Gelegenheiten, einmal draußen, damit der Aufzug kommt und einmal in
demselben für das jeweils angepeilte Stockwerk. Aber lassen Sie mal einen
Passanten bereits im Lift stehen, der bereits gedrückt hat, bevor Sie mit den
Zwillingen einsteigen. Da ist das Drama groß!
Ein Stück altes Leben
Manchmal
kann ich es kaum aushalten. Manchmal habe ich Lust, einfach so mit High Heels
und ohne Autoschlüssel unter dem Arm vor dem Kindergarten zu stehen. Aber das
gleicht dann schon einer Tagesdosis „früheres Leben“, schließlich geht es doch
nach Hause zu den Vollkornnudeln.
Seit
ein paar Wochen sind alle drei Kinder im Kindergarten. Und wenn ich von meiner
Dorfrunde und dem Abgeben wieder zu Hause bin und nicht arbeiten muss, weil ich
ja liebevolle Mama bin und „Zeit für den Haushalt und die Familie brauche“,
dann werfe ich mich bäuchlings aufs Sofa, lege eine DVD ein und esse Erdbeeren
mit einem halben Becher Schlagsahne und fühle mich einfach großartig.